Das jährliche Sommerfest der Jungen Alternative gibt sich nach außen hin als harmloses Familienfest. Am Eingang gibt es unter den Augen des Ordnungsamts Bändchen für Minderjährige, die das Gelände am Abend wieder verlassen sollen. Doch in den vergangenen Jahren traten mindestens zwei Mal einschlägige Musiker*innen mit Bezügen und Bekenntnissen zur Neonaziszene in Roxförde/Gardelegen auf. Die Junge Alternative beschwichtigt – und versucht, NS-Konzerte geheim zu halten. Wir zeigen, was sich hinter dem Versteckspiel verbirgt.
„Uncoole“ Nazi-Musik
Im Jahr 2023 versuchte die Junge Alternative, einen Auftritt des Neonazis Björn Pessel vor der Öffentlichkeit zu verstecken. Als Nazi-Musiker ist Pessel unter dem Namen „Der Visionär“ bekannt. Erst vier Monate zuvor hatte sich der AfD-Vorsitzende Sebastian Koch noch gegenüber der „Volksstimme“ scheinheilig von der Nazi-Rapperin „Runa“ distanziert, die mit bürgerlichem Namen Ramona Naggert heißt.
Die war im Vorjahr, 2022, beim Sommerfest aufgetreten. „Das ist uncool“ und „Hätte ich das gewusst, wäre sie nicht eingeladen worden“ entgegnete Koch damals der Lokalzeitung. Der AfD-Kreisvorsitzende war da von einer Lokaljournalistin mit den offenen Bezügen der Rapperin zu NS-Huldigungen konfrontiert worden. So war beziehungsweise ist Runa mit einem Mitglied der NS-Mediengruppe “Baclava Graphics” aus Bautzen liiert und Mitglied der Nazi-Rap-Kombo “Neuer Deutscher Standard”.
Glauben muss man die Unwissenheitsbekundung des AfD-Kreisvorsitzenden nicht. Schließlich ist der regionale JA- und AfD-Anführer selbst in einschlägigen Neonazikreisen sozialisiert worden.
Auf Instagram verplappert
Die Konfrontation mit dem “Runa”-Auftritt flankierte die Einstufung von Kochs Junger Alternative Sachsen-Anhalt als “gesichert rechtsextremistisch” durch den Verfassungsschutz. Klar, dass die JA beim nächsten Mal etwas mehr Aufwand dabei betrieb, den angereisten Neonazis ihre Portion NS-Musik zu bieten – ohne störende Öffentlichkeit. Dummerweise verplapperte sich der dazu verpflichtete Musiker im Nachgang in sozialen Medien.
„Freitag Abend in Mitteldeutschland… Danke an die Männer und Frauen vor Ort, danke an die Dame hinter der Kamera und natürlich dem Veranstalter! Bis zum nächsten mal !“ hieß es kurz nach dem Sommerfest-Wochenende auf der Instagram-Seite von „Der Visionär“. Das dazu gepostete Bild zeigt den NS-Musiker von hinten. In seiner Hand: Eine Akkustik-Gitarre. Darunter die Aufschrift „Altmark 2023“, darüber “Visionär-Balladentour-Live”.
Verräterische Lichterkette
Nun ist die Altmark groß. Und: Das Sommerfest der AfD fand offiziell an einem Samstag statt, dem 12.08. Der „Visionär“ will an einem Freitag aufgetreten sein. Den genauen Ort des Auftritts allerdings verrät das vom Musiker mitgelieferte Foto unfreiwillig. Zu sehen sind nämlich ein Lagerfeuer und darüber eine markante Lichterkette, bei der es sich um einen LED-Beleuchtungsschlauch mit einer recht kühlen Lichttemperatur handeln könnte.
Das würde für sich genommen keinen Auftritt in Roxförde belegen. Doch dann verbreitete die Junge Alternative am folgenden Wochenende eigene Fotos vom Sommerfest. Und genau jene Szenerie, Lagerfeuer und Lichterkette, fand sich in den von den offiziellen Kanälen der JA geposteten Bildern wieder.
Die Fotos belegen: Vor dem “offiziellen” Sommerfest am Samstag fand bereits ein musikalischer Abend am Freitag auf dem Gelände in Roxförde statt – nicht bis ins Dorf zu hören, da es sich ja um einen Akkustik-Auftritt handelte. Die sachsen-anhaltischen Innenbehörden bekamen das nicht mit, wie Antworten der Landesregierung auf Kleine Anfragen im Magdeburger Landtag nahelegen. Aber wir.
Übrigens: 550 Teilnehmer*innen zählten die Behörden am Samstag. Eine Zählung vom Vorabend gibt es nicht.
Volk, Rasse, Nation, Hitlerjugend und Veralberung der Shoah
“Der Visionär” darf als einschlägig gelten. Laut Beantwortung einer Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag trat der Musiker etwa am 4. Juli 2020 in Erfurt bei einer Veranstaltung der “Neue Stärke Partei” ebenfalls auf. Und auch das im Jahr 2020 veröffentlichte Album der Band trägt einen Titel, der klar macht, worum es geht: “Volk – Rasse – Nation”. Auf der Instagram-Seite von “Der Visionär” fanden sich im Sommer 2023 Erinnerungspostings an NS-Täter oder historisches Propagandamaterial mit weiß ausgeblendeten Hakenkreuzen auf Hakenkreuzfahnen.
Doch für den Fall, dass Sebastian Koch von all dem auch nichts gewusst hat: Ein zweiter Blick auf das vom „Visionär“ vom Sommerfest verbreitete Foto lohnt sich. Dann lässt sich nämlich erkennen, dass der NS-Musiker bei seinem Auftritt vor der Jungen Alternative und ihren Gäst*innen ein T-Shirt mit Logos von Nazibands trug, etwa der altbekannten Blood-&-Honour-Band „Confident in Victory“. Ebenfalls auf dem Shirt: Der den Genozid an den Jüd*innen veralbernde Künstlername des Neonazis Uwe Menzel. Der tritt nämlich als „Uwocaust“ auf. Garniert werden die Namen der Hass-Musiker*innen auf dem T-Shirt von Björn Pessel mit einem Foto von Mitgliedern der Hitlerjugend mit Trommeln.
Womit etwas klarer geworden sein dürfte: Das Sommerfest der Jungen Alternative Altmark sagt “Fest”, meint aber NS-Verherrlichung.